Vier unglaublich große Fußstapfen
Seit 1984 engagiert sich Inge Grein-Feil mit der Aktion „Freunde schaffen Freude“ für andere Menschen. Nun will sie kürzertreten und gleichzeitig ihr Lebenswerk für die Zukunft rüsten – keine leichte Aufgabe.

Es brauchte wohl die richtige Kombination von inneren und äußeren Einflüssen, damit etwas von der Strahlkraft der Aktion „Freunde schaffen Freude“ entstehen konnte. Aus den ersten, mutigen Schritten wuchs im Laufe der Jahre ein Netzwerk heran, das nicht nur zahlreichen Menschen die versprochene Freude spendet, der Verein ist längst auch in mehreren Landkreisen im württembergisch-bayerischen Grenzgebiet ein unverzichtbarer Baustein der sozialen Versorgung geworden.
1984, als Inge Grein-Feil den Verein zusammen mit ihrem Mann Siggi Feil gründete, hätte es ihr wohl niemand verdacht, wenn sie ausschließlich an sich gedacht hätte. Sie hatte bereits einen Lebensweg mit einigen Mühen hinter sich, als sie die Diagnose Multiple Sklerose ereilte. Mit der ihr eigenen Entschlossenheit lehnte sie es ab, nach Innen zu blicken, sie wandte vielmehr ihre Energie nach Außen in den Verein. Tatkraft, ein geradezu felsenfester Humor und eine gute Portion Gottvertrauen ebneten ihr den Weg.
„Wir waren hochidealistisch und ein bisschen naiv“, sagt Inge Grein-Feil mit Blick auf die Gründerjahre. Naiv war vielleicht, dass sie ausblendeten, welche Menge an Arbeit sie sich aufluden. Denn der Bedarf war immens. Im Laufe der Jahre kümmerten sich die „Freunde“, wie sie auf der Ostalb kurz heißen, um Menschen mit Behinderungen ebenso wie um sozial Schwache, Geflüchtete oder in irgendeiner Weise Gestrauchelte. Buchstäblich Tausenden Menschen konnten die vielen ehrenamtlich Aktiven der „Freunde“ helfen, vielfach materiell und noch viel öfter mit der Herzenswärme, die den Kern des Vereins ausmacht.
Fast drei Dutzend Einzelprojekte sind im Laufe der Zeit entstanden. Es gibt Angebote für wohnsitzlose Menschen, eine Disco für Menschen mit Behinderungen oder ein Kleinkunstprogramm in der eigenen Begegnungsstätte „Arche“ in Dischingen, das in der Region praktisch konkurrenzlos ist. Die Veranstaltungen mit den Größen der deutschen Kabarettszene tragen wiederum dazu bei, Geld für die sozialen Projekte zu sammeln.
Über die Jahrzehnte hinweg hat Inge Grein-Feil unermüdlich an ungezählte Türen geklopft und immer wieder Unterstützer gewonnen. Dass manche Tür zunächst verschlossen blieb, mag sie insgeheim betrübt haben, hielt sie aber nie davon ab, mit derselben Hoffnung irgendwann wieder zu klopfen. Im Kuratorium, das die „Freunde“ unterstützt, ist der Heidenheimer Landrat Peter Polta ebenso vertreten wie der frühere Rektor der Dualen Hochschule Heidenheim, Manfred Träger, und Vertreter der regionalen Wirtschaft.
Dem Anschein, dass die „Freunde“ als stabil geknüpftes Netzwerk noch jahrzehntelang weiter arbeiten können, will Inge Grein-Feil gar nicht widersprechen. Die große Herausforderung der kommenden Jahre ist aber, eine Nachfolge für die Gründerin zu finden. Sie ist jetzt 76, Siggi Feil neun Jahre jünger, mit Blick auf ihr Lebenswerk haben sie sich etwas Ruhe längst verdient. Dass sie die MS so lange in Schach halten konnte, scheint ohnehin unglaublich. „Ich wollte ja bis 100 arbeiten, aber jetzt zeigen sich die Grenzen“, sagt Grein-Feil. Mehrere Versuche, eine Nachfolge zu finden, blieben bislang ohne Erfolg. Sie wünsche sich jemanden, der das Konzept mit neuen Ideen ergänze und die christliche Motivation hinter dem Verein nicht außer Acht lasse. „Ich möchte die Flamme weitergeben, nicht die Asche“, sagt sie kämpferisch und fügt hinzu: „Anfangen war schon schwierig, aber aufhören, das wäre brutal.“
Dr. Dietmar Horst, Pfarrer der Dischinger Kirchengemeinde St. Johann Baptist begleitet die „Freunde“ seit vielen Jahren. Ohne diesen Verein und seine rührigen Ehrenamtlichen würden vielstimmige Fürsprecher fehlen „für Menschen, die sich nicht zu Wort melden“, glaubt Horst. Den „Freunden“ samt ihrer Vorsitzenden gelinge es, auf die Menschen zuzugehen und sich so unbürokratisch wie unkonventionell einzusetzen. „Sie machen vieles, das sonst gar nicht gemacht würde“, so Pfarrer Horst. Dieses Engagement der Aktion „Freunde schaffen Freude“ entlaste damit auch Kommunen, Landkreise und Kirchengemeinden in der Region.
Diese Einschätzung teilt Klaus Moser. Der ehemalige Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Ostwürttemberg berät die „Freunde“ in deren Kuratorium und sagt, ein „schleichendes Auslaufen“ des Vereins wäre die schlechteste aller denkbaren Varianten. Das müssten, so Moser, auch alle bedenken, die „wissentlich oder unwissentlich“ von der vielfältigen ehrenamtlichen Arbeit profitieren: „Dann bröckeln die Ehrenamtlichen weg, und das sind viele, die ganz lautlos unterstützen.“
Mosers erklärte Wunschlösung wäre eine Person oder ein Team, das die Arbeit von Inge Grein-Feil und Siggi Feil weiterführt – womöglich mit eigenen Akzenten, aber auch in deren Fußstapfen, was die überkonfessionelle und überparteiliche Ausrichtung angeht. Denkbar wäre aber auch, dass eine ähnlich gelagerte Einrichtung die „Freunde“ unter ihr Dach nimmt und mit einer gewissen Sonderstellung ausstattet.
Seit der Wunsch der Vereinsgründer, nach fast vier Jahrzehnten intensiver Arbeit kürzer zu treten an die Öffentlichkeit gelangt ist, hat sich auf der Ostalb auch eine gewisse Sorge breit gemacht. Viele Menschen hätten sie bang gefragt, ob sie einfach aufhören werde, sagt Inge Grein-Feil. Diese Sorge habe sie in vielen Gespräch nehmen können. Zudem hat sich unter dem Eindruck zahlreicher ermutigender Zuschriften ein Arbeitskreis aus Vereinsmitgliedern und externen Unterstützern gegründet, der gangbare Wege für die Zukunft der „Freunde“ ausloten will. Ein erstes Ergebnis ist, dass, wer auch immer der Gründungsvorsitzenden nachfolgen wird, auf eine ausreichend lange und intensiv begleitete Übergangsphase bauen kann.
Das motiviert auch „die Inge“, wie sie in der Region meist genannt wird: „Es ist mein Herzenswunsch, dass es in fundierter Weise weitergeht, und dafür gibt es eine Chance.“
Jens Eber